Samstag morgens nach einem sonnigen Familienfrühstück ist der ideale Zeitpunkt, sich in eine Zeitkapsel zu setzen, 20 Jahre in die Vergangenheit zu fliegen und zu fragen, was ich meinem 46 jährigen Ich zum Digitalen Arbeiten und New Work empfohlen hätte. Eingebettet ist dieses Unterfangen von Björn Negelmanns Blogparade \”Wie lässt sich das digitale (Zusammen-)Arbeiten in Unternehmen nun endlich voranbringen? #digitalarbeiten\” als Vorbereitung des IOM Summit 2019.
Genau vor 20 Jahren verließ ich den warmen und sicheren Schoß der Alma Mater Universität Heidelberg mit einem M.A. in der Hand und noch immer trieb mich die Frage der letzten Jahre umher: Wie kommt das Neue in die Welt? Niklas Luhmann mit seiner soziologischen Systemtheorie haben mich sehr beschäftigt und das von den Biologen Humberto Maturana und Franscico Varela entwickelte Konzept der geschlossenen Selbstorganisation \”Autopoiesis\” stellte den Fokus meiner veröffentlichten Magisterarbeit zur Systemischen Pädagogik dar.
Seit meiner ersten Berufstätigkeit in 1999 – ich begann als Organisationsentwickler in einer Münchner Unternehmensberatung – arbeite ich digital. Daher habe ich mich nie als jemand empfunden, der \”New Work\” in einem Akt der beruflichen Veränderung lernen musste. Dennoch habe ich dutzende Kollaborationstools kennen und schätzen gelernt und seit 15 Jahren habe ich meinen Schwerpunkt auf die Microsoft Lösungen gelegt. Microsoft Teams hat zur Zeit einen signifikanten Hype im modernen, digitalen Arbeitsplatz und gilt als DAS Produkt in der Geschichte Microsoft mit dem erfolgreichsten und schnellsten Anstieg der Nutzerzahlen. Ich gehöre freilich dazu, habe aber jedoch als ehemaliger Customer Success Manager für Yammer und Pionier der deutschsprachigen Working Out Loud Szene noch einen anderen Blick auf diesen Trend:
- Microsoft Teams fördert (wie auch Mitbewerber wie Whatsapp, Threema, Telegram) die Kollaboration innerhalb einer geschlossenen Gruppe. Hinzufügen (\”einloopen\”) von gruppenfremden Kolleginnen-und Kollegen ist nicht möglich. Gruppen Admin müssten erst diejenigen manuell hinzufügen. Die neuen privaten Channels innerhalb von Teams verstärken diesen Trend (\”inner loop of inner loop\”). Auf dem Panel beim SharePoint Saturday München gehen wir darauf ausführlich ein (Danke, Luise Freese!).
- Yammer im Vergleich eignet sich hervorragend, um (global) unternehmensweit Menschen in den Diskussionsthread zu holen, um Hilfe zu holen, neue Ideen zu entwickeln oder aus anderer, fremden Sicht den Sachverhalt zu reflektieren. Neues, frisches Denken mit mehr Diversität und Inklusion kann besser in die Welt und Köpfe eintreten
- In diesem Blogpost zu Office 365 und Working Out Loud habe ich diesen Ansatz deutlicher ausgeführt und visualisiert:
Kommen wir kurz wieder zurück zu den Systemtheoretikern Luhmann, Maturana und Varela:
\”Autopoietische Systeme sind operativ geschlossene Systeme, die sich in einer ’basalen Zirkularität’ selbst reproduzieren, indem sie in einer bestimmten räumlichen Einheit die Elemente, aus denen sie bestehen, in einem Produktionsnetzwerk wiederum mit Hilfe der Elemente herstellen, aus denen sie bestehen (Humberto Maturana in: Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Braunschweig 1982 , S. 58).
\”Dies soziale System gründet sich mithin auf Instabilität. Es realisiert sich deshalb zwangsläufig als autopoietisches System. Es arbeitet mit einer zirkulär geschlossenen Grundstruktur, die von Moment zu Moment zerfällt, wenn dem nicht entgegengewirkt wird.\” (Niklas Luhmann in: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M. 1993. S. 167)
Wie aus diesen Zitaten sichtbar wird haben Soziale Systemen, die aus Kommunikation bestehen (und nicht aus Menschen – laut Luhmann) den angelegten Mechanismus der Reproduktion und Selbstorganisation, jedoch ohne die Möglichkeit, Neues von Außen (Systemumwelt) ins Systeminnere zu bringen. Im besten Fall können äußere Kommunikationen das System zur Irritation (Luhmann spricht gerne von \”Interpenetration\”) bewegen. Das sollte auch Change Managern und Adoption Spezialisten nachdenklich machen. Peter Senge würde dazu vielleicht sagen \”People don`t resist change; they resist being changed.\” (Dank an dieser Stelle für die BMWler Ilona Libal für ihren Blogparadenbeitrag und Marcus Raitner für das Senge Zitat)
Mit meinem Beitrag zur Blogparade möchte ich ermutigen, nicht den Arbeitstag in der geschlossenen Teamkollaboration zu verweilen, sondern über den Tellerrand zu blicken, zu lernen, zu teilen, zu helfen, zu korrigieren, zu irritieren und zu ermutigen. Dafür gibt es die digitale Tools und es lohnt sich sehr, diese wiederzuentdecken – jenseits von Hypes und Trends.
Lieber Ragnar,
dann reichere ich deine kleine Zeitreise noch mit einem kurzen Gruß an, immerhin hatten wir vor genau 20 Jahren das Vergnügen uns in Heidelberg intensiv mit persönlicher Entwicklung in verschiedenen Varianten zu beschäftigen – spannend wie dein Weg seither verlaufen ist.
Und danke für den interessanten Post zu kollaborativen digitalen Lösungen – die werde ich mit Blick auf meine Kunden und Projekte demnächst sicherlich noch weiter erkunden!
Herzliche Grüße, Markus (Hänsel)
Icht freue mich sehr über Deine Worte, die ich – wie es der Zufall so will – gerade in Heidelberg lese. Vielen Dank für die reichhaltigen Inspirationen in den letzten 25 Jahren, Markus!