Fiesta Mayor in El Vendrell (Katalonien, Spanien)-Reisebericht über traditionelles Volksfest
Seit langem habe ich mich auf diese dreiwöchigen Sommerferien in Spanien gefreut! Ich bin in El Vendrell, einer Stadt im Süden Barcelonas mit 36.000 Einwohnern, nur 3 km vom Mittelmeer entfernt, so gut wie zu Hause. Meine Frau stammt daher, meine spanische Familie wohnt dort und im Umkreis und die Anzahl meiner Besuche sind >40. Trotz dieser imposanten Menge haben wir es bisher noch nicht geschafft, auf den Punkt das größte folkloristische Fest im Jahr, die „Festa Major“ (katalanisch) zu besuchen. Das wurde nun nachgeholt und meine subjektiven Eindrücke zu diesem fünftägigen katalanischen Fest möchte ich mich Euch teilen.
Tänze mit Pappkameraden und alten, katalanischen Instrumenten
Bereits zur Mittagszeit beginnen täglich Tänze von verschiedenen Tanzgruppen, die ausschließlich Gruppentänze sind. Sie werden musikalisch von Trommeln, Trompeten, Flöten, Dudelsäcken und anderen alten Instrumenten unterstützt. Die Musik mutet wie an wie bei einem mittelalterlichen Ritterspektakel, hat nichts mit der bekannten spanischen Folklore wie Flamenco zu tun. Davon grenzt sich der Katalane in der Regel leidenschaftlich ab – sofern es diesen Stereotyp gibt. Zum Umzug der Tanzgruppen sind nur typisch katalanische Tänze und Kleidung zugelassen. Meiner Ansicht ist es konservativer und strenger als beim Dreikönigsumzug am 6. Januar, wo ein Wagen mit Micky & Mini Maus gerne den Wägen von Baltasar oder Melchor folgt. Habe die apokryphe biblische Schrift („Buch Walt“) noch nicht in die Hände bekommen. Die Tanzgruppen dienen vor allem der Inklusion der Kinder und Jugend, die mit Freude und Leidenschaft an den unterschiedlichen Formen und Stilen aktiv mitwirken.
Menschliche Türme: Els Castells
Diese publikumsbegeisternde Art der Menschenstapelung stammt aus dem 18.Jahrhundert und wurde in Katalonien (Stadt Valls) erfunden. „Castells“ ist katalanisch und bedeutet „Burgen“. Es gibt so gut wie keine Fiesta in Katalonien ohne diesen Brauchtum. Das Foto unten zeigt die „Nens del Vendrell“ vor der Kirche. „Força, Equilibri, Valor i Seny“ („Kraft, Gleichgewicht, Mut und Geist“) ist der Wahlspruch der Castellers. Der Turm bzw. die Burg ist dann fertig, wenn ein kleines Kind, meist 4-6 Jahre, den 8-oder 9 stöckigen Turm gekrönt hat und kurz in die Flöte geblasen hat. Wikipedia lädt ein, sich tiefer mit diesem UNESCO Weltkulturerbe zu beschäftigen.
Teufel und eine brennende Kirche
Am 26.07. folgt der Höhepunkt der Festlichkeiten: Stundenlang ziehen als Teufel verkleidete Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in meinem Alter (43) durch die Straßen und sind mit funkensprühenden Geschossen und animalischen Bestien bewaffnet. Die Bestien sind oft eine Mischung aus Fabelwesen und lustigen Tieren wie einem Tausendfüssler (der vor allem schnell mit viel Feuer durch die Gassen rennt, wie man sonst nur von Stieren aus Paloma kennt). Am Ende des lauten, stinkenden und feurigen satanischen Spektakels steht ein Finale vor der Kathedrale, wo die Freunde Luzifers noch einmal alle Register ziehen. Dann verkriechen sie sich und und das aufwändige und schöne Feuerwerk Punkt 00:00h direkt im Kirchturm weiter (siehe Video), dauert eindrucksvolle 20 Minuten. Es macht auf mich einen so fulminanten Eindruck, das spätestens nach den letzten Feuerwerksschüssen klar wird, wer gewonnen hat. Spannende, unerwartete Dramaturgie – ganz ohne Worte. Allein das ist eine Reise wert!
Live Musik, Rock, Ska und Paso Doble
Ein solches Fest ist jedoch nicht früh um 00:30 zu Ende – weit gefehlt! Die ersten (von 3) Bands spielen sich noch warm.
Auf der Rambla lädt ein großes Orchester mit breiter Stilvielfalt zum Tanzen ein und spricht die Ü50 Generation deutlich an. In einem anderen Teil der Stadt wurde eine große Konzertbühne aufgebaut, wo Bands wie „El Coche Rojo“ Medleys der beliebtesten katalanischen Rocksongs der 80er und 90er Jahre covern. Txarango galt mit ihrem Ska Rock als das Highlight des Abends . Es ist gute Kondition gefordert, um einen solch langen Tag und Nacht durchzustehen. Ebenso muss man sich darauf einstellen, dass es zwar günstiges Fassbier (meist 1-1,50 €) gibt, aber von Essen und kulinarisches Genüssen oder den etablierten Street Food Wägen ist keine Spur zu sehen. Man stärkt sich wie immer zu Hause, in der Tapas Bar oder im Restaurant.